Eine seltene, häufig falsch therapierte Erkrankung
Lichen sclerosus ist eine entzündliche Erkrankung der Anogenitalregion, die häufig chronisch verläuft. Sie tritt bei 0,1 – 3% aller Frauen auf. Männer sind 3 – 10-mal seltener betroffen. Die Ätiologie ist noch weitestgehend ungeklärt. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist die Therapie häufig inadäquat. Folglich erdulden die betroffenen Frauen oft einen langen Leidensweg, bevor sie eine entsprechende Therapie erhalten. Eine Überweisung der Patientin in eine spezialisierte Einrichtung (Dysplasiesprechstunde) ist sinnvoll. Die S3-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Dermatologie sollen dazu beitragen, die Qualität der Diagnostik und Therapie zu verbessern. Somit wäre der Leidensweg der betroffenen Frauen kürzer.
Ursache des Lichen sclerosus
Bisher unbekannt. Vermutlich besteht eine genetische Prädisposition. Etwa 10 % der Patienten mit Lichen sclerosus haben weitere Verwandte mit Lichen sclerosus , möglicherweise ist der Anteil wesentlich höher. Immunologische Veränderungen werden auf T- und B-Zell-Niveau beschrieben. Zudem sind oxidative DNA-Schäden und TP53-Mutationen (Tumorsuppressorgen) beschrieben. Dies könnte auf einen autoimmunen Hintergrund beim Lichen sclerosus hinweisen und bei der leicht erhöhten Karzinomhäufigkeit eine Rolle spielen.
Klinische Befunde und Symptome:
Weißliche Flecken und Knötchen (Hyperkeratose und Sklerose), die zu größeren Flächen (Plaques) zusammenfließen können, bestehen typischerweise anogenital. Seltener tritt Lichen sclerosus in anderen Hautregionen.
Anogenital kann zunächst nur eine leichte, flächige Rötung bestehen, weiße Hyperkeratose, atrophe Haut, Einrisse und Einblutungen (Ekchymosen) treten typischerweise im Verlauf auf. Vernarbungen können im Bereich der Klitoris und kleinen Labien entstehen und führen möglicherweise zur sogenannten „verborgenen Klitoris“ engem Introitus vaginae mit Dyspareunie (Beschwerden beim Geschlechtsverkehr) oder auch perianalen Stenosen und Schmerzen bei der Defäkation. Besonders bei Kindern kann sich Lichen sclerosus mit leichter Rötung und anschließender Depigmentierung der Haut präsentieren, dies ist gelegentlich schwer von einer Vitiligo oder Ekzem zu unterscheiden. Hinzukommende Fissuren, Juckreiz, Konstipation bei perianaler Beteiligung sind wegweisende diagnostische Zeichen. Juckreiz und Schmerzen werden oft beschrieben. Bei anhaltendem Juckreiz, spätestens wenn weißliche Verfärbungen der Haut sichtbar werden, muss an Lichen sclerosus gedacht werden.
Die Entwicklung von verhärteten Plaques oder Knoten und nicht heilende Ulzera weisen auf die Entstehung eines Karzinoms hin. Eine Abklärung mittels Biopsie muss zeitnah erfolgen.
Diagnose
Das klinische Bild ist für den erfahrenen Untersucher oft diagnostisch und ein histologischer Nachweis nicht zwingend erforderlich. Weißliche Hautveränderungen anogenital gepaart mit Juckreiz weisen auf einen Lichen sclerosus. Bei unsicherer Diagnose, zum Beispiel unklarem klinischen Bild oder wenn der Arzt mit dem Krankheitsbild nicht vertraut ist, sollte eine Hautbiopsie aus einer typischen Läsion durchgeführt werden. Die Biopsie sollte vor lokaler Kortikosteroidtherapie erfolgen beziehungsweise nach vier Wochen Therapieunterbrechung. Manche Spezialisten fordern grundsätlich eine Biopsie zur Bestätigung der klinischen Diagnose.
Eine Biopsie wird üblicherweise unter lokaler Anästhesie entnommen und meist gut toleriert. Kinder stellen eine Ausnahme dar. Daher wird von einer Biopsie üblicherweise abgesehen, da dies im anogenitalen Bereich ein sehr traumatisches Ereignis sein kann. Bei Unsicherheit sollte immer ein mit der Krankheit vertrauter Experte (Dermatologe, Gynäkologe, Urologe, Kinderchirurg) hinzugezogen werden.
Bei diskrepantem klinischem und histologischem Befund müssen wiederholte Untersuchungen durchgeführt werden. Zum Beispiel auch eine erneute Biopsie, um die Diagnose zu sichern.
Therapie
Die empfohlene initiale Behandlung des Lichen sclerosus ist die dreimonatige Applikation von stark bis sehr stark wirkenden lokalen Glukokortikoiden.
Goldstandard: hochpotente topische Steroide – Clobetasolpropionat-Salbe 0,05% (Applikation initial über 3 Monate nach Schema)
Minimierung der Atrophie durch lebenslange Anwendung fetthaltiger Hautpflege:
- Tacrolimus/Pimecrolimus (Calcineurin-Inhibitoren) weniger effektiv als Clobetasol
- topische Testosteron-, Östrogen- oder Progesteronapplikation ohne wesentlichen Effekt
- operative Methoden wie Skinningvulvektomie ohne wesentlichen Effekt
Bei anogenitalem Juckreiz und klinischen Merkmalen wie Rötungen, weißen Hautveränderungen (wie Hyperkeratose und Sklerose) sowie bei Fissuren sollte an einen Lichen sclerosus gedacht werden. Die Verdachtsdiagnose sollte mittels Biopsie bestätigt und eine frühe und konsequente Behandlung eingeleitet werden. So können mutilierende Verläufe und das Karzinomrisiko verringert werden.