Brustkrebs und Umweltbelastungen
Umweltbelastungen als Ursache von Brustkrebs sind bereits seit vielen Jahrzehnten in der Erforschung. Medizin und Gesundheitspolitik sehen bisher Diagnostik und Therapie im Vordergrund. Auswirkungen von Umweltbelastungen, Chemikalien und hier insbesondere hormonell wirksamen Stoffen auf die Krankheitsentstehung finden dagegen wenig Beachtung. Hormonbelastete Ernährung und hormonell wirksame Schadstoffe in der Arbeitswelt begünstigen die Entstehung von Brustkrebs. Bereits die Schwangerschaft wird im Zusammenhang mit der Entstehung als kritisches Zeitfenster gesehen. Die Auswirkungen von Umweltbelastungen auf die Gesundheit von Mädchen werden im Zusammenhang mit weiteren Brustkrebs begünstigenden Faktoren betrachtet. Frauen sind über die Zusammenhänge nicht ausreichend informiert. Um die komplexen Krankheitsursachen zu beeinflussen, wären nicht nur Änderungen in der Chemikaliengesetzgebung erforderlich. Frauen bräuchten konsequentes Engagement medizinischer Fachgesellschaften. Auf gesundheitspolitischer Ebene müsste das Handlungsfeld Vermeidung von Brustkrebs definiert werden.
Komplexität und offene Fragen im Brustkrebspuzzle
Die Vorstellung, dass wir die Ursachen von Brustkrebs nicht kennen, ist einfach zu simpel. Frauen sind vielfältigen Umweltbelastungen ausgesetzt. Mehrfachbelastungen und Interaktionen sowie epigenetische und hormonelle Zusammenhänge haben Auswirkungen auf die Entstehung der Krankheit. Auch wenn es nicht leicht ist, dies zu untersuchen, so ist es doch unverzichtbar, um Risiken in Gänze zu verstehen. Der Effekt von hormonellen Schadstoffen in sehr geringen Mengen („low-dose effect“) kann gravierender sein als bei höherer Dosis. Dies gilt besonders für Organismen, die noch in der Entwicklung sind, wie Ungeborene und Kinder.
Zeitpunkt, Zeitdauer und Art der Exposition spielen eine ebenso große Rolle wie die Dosis. Zellen im Brustgewebe von Frauen sind während ihrer gesamten Entwicklungszeit, beginnend in der frühen Schwangerschaft bis nach dem Ende der ersten voll ausgetragenen Schwangerschaft und dem Ende der ersten Stillzeit, verletzlich gegenüber Krebs verursachenden Effekten von Hormonen, Chemikalien und Strahlung.
Brustkrebs ist eine komplexe Erkrankung
Bisher ist es nicht gelungen, eine einzelne, monokausale Ursache für Brustkrebs zu finden. Es kommen eine Vielzahl unterschiedlicher Faktoren zum Tragen kommt. Jede Brustkrebserkrankung ist anders. Es gibt unterschiedliche Tumortypen, individuelle Risiken und Behandlungsansätze. Die Ursachen sind wie ein komplexes Netzwerk, in dem die Exposition gegenüber hormonellen Schadstoffen und individuelle genetische Ausprägungen, Ernährung, Lebensstil und Reproduktionsgeschichte zusammenwirken.
Auch wenn für einzelne Belastungen im Alltag und am Arbeitsplatz ihre ungünstige Wirkung bei der Entstehung von Brustkrebs belegt ist, sind weiterhin viele Fragen des Brustkrebspuzzles offen. Die Rolle, die Viren bei der Brustkrebsentstehung spielen könnten, ist nicht abschließend erforscht. Zum Zeitpunkt der Diagnose ist unbekannt, ob die Krankheit behandelt werden muss oder nicht. Einige Brustkrebserkrankungen sind überflüssigerweise in Behandlung. Bisher ist es nicht möglich eine Unterscheidung zu treffen, welche Frau eine Behandlung braucht und welche überbehandelt wird. Auslassversuche sind bei invasiven Karzinomen keine Option.
Wir wissen nicht, ob die Krankheit metastasieren wird oder nicht. Warum wissen wir nicht, was bei Brustkrebs zu Metastasen, dem eigentlichen Problem der Krankheit, führt? Es spricht vieles dafür, dass es die gleichen Belastungen sind, die die Krankheit ausgelöst haben und schließlich wiederum das Fortschreiten begünstigen können. Für die zugrunde liegenden hormonellen Einflüsse scheint dies jedenfalls so zu sein.
Es ist notwendig, sich intensiver mit vielen auf den ersten Blick praktischen Gewohnheiten und Produkten im Alltag von Frauen zu befassen. Der Aufbau von nicht ideologisch beeinflusstem, evidenzbasiertem Wissen ist unverzichtbar. Nicht nur für die Wissenschaft, auch für Frauen. Es ist gegenwärtig notwendig, sehr genau hinzuschauen und ggf. einzelne Belastungen, Inhaltsstoffe oder Verpackungsmaterialien zu recherchieren und vorsorglich zu vermeiden, solange die Politik Verbote nicht durchsetzt. Die Chemikaliengesetzgebung ist einer der springenden Punkte, wenn es um den vorsorglichen Abbau von Belastungen geht. Wirksame politische Vertretung von Verbraucherinneninteressen ist hier notwendig.