Autoimmunerkrankungen & Ernährung
Patienten mit Autoimmunerkrankungen haben einen hohen Leidensdruck und suchen nach Therapieansätzen. Die Ernährung ist ein Teil des Lebensstils, mit dem man den Verlauf von Autoimmunerkrankungen beeinflussen kann. Wenngleich die Studienbasis für viele Fragen noch lückenhaft ist, so lassen sich doch einige Prinzipien für eine Ernährung bei Autoimmunerkrankungen ableiten.
Bei Autoimmunerkrankungen treten infolge des überschießenden Immunsystems chronische Entzündungsreaktionen auf. Es finden sich vielfältige Anzeichen dafür, z. B. Autoantikörper, erhöhte Spiegel entzündungsfördernder Zytokine, autoreaktive Immunzellen und antigenpräsentierende Zellen. Ansätze der Ernährungstherapie fokussieren daher darauf, das Immunsystem über die Ernährung zu stärken und Entzündungen zu reduzieren.
Antientzündliche Ernährung
Wir kennen entzündungsfördernde und entzündungshemmende sowie antioxidativ wirksame Inhaltsstoffe der Nahrung. Ziel ist es nun, die Nahrungsmittel so zusammenzustellen, dass die Ausschüttung entzündungshemmender Botenstoffe gefördert und im Gegenzug entzündungsfördernde Botenstoffe gehemmt werden. Chronischer Stress geht mit verstärkter Bildung reaktiver Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen einher. Daher ist eine gute Auswahl von Lebensmitteln, die ein hohes Maß antioxidativ wirksamer Nährstoffe enthalten, wichtig.
Entzündungsfördernde und entzündungshemmende Nährstoffe
Zu den entzündungshemmenden Inhaltsstoffen in der Ernährung zählen Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D und sekundäre Pflanzenstoffe inklusive der Ballaststoffe.
Das Fettsäuremuster der Ernährung hat einen wichtigen Einfluss auf Entzündungen im menschlichen Organismus.
Die aus den Omega-3-Fettsäuren gebildeten Eicosanoide wirken entzündungshemmend und daher bei Autoimmunprozessen abmildernd. Die Biosynthese dieser Eicosanoide setzt eine ausreichende Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren über die Nahrung voraus, bei gleichzeitig geringer Zufuhr von Omega-6-Fettsäuren, deren Eicosanoide entzündungsfördernd wirken. Pflanzen liefern fast ausschließlich α-Linolensäure, die vom Menschen nur zu einem geringen Anteil in Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA), den Grundbausteinen für die Bildung von Eicosanoiden und SPMs, umgewandelt werden. EPA und DHA sollten daher direkt aufgenommen werden. Sie finden sich v. a. in fettreichem Fisch und Fischölen.
Autoimmunerkrankungen und Vitamin D
Vitamin D hat eine ganz entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Schwere von Autoimmunerkrankungen. Es beeinflusst die Zytokinproduktion und damit Entzündungen und nimmt darüber hinaus Einfluss auf die Lymphozytenproliferation (T- und B-Zellen). Ersichtlich ist die Beteiligung des Vitamin-D-Hormons an verschiedenen Autoimmunerkrankungen (z. B. Hashimoto, Typ-1-Diabetes oder Multiple Sklerose) durch den auftretenden niedrigen Vitamin-D-Plasma-Spiegel. Besonders Vitamin-D-Mangel-Patienten profitieren von einer Vitamin-D-Supplementation und dem Erreichen eines Blutspiegels von > 75 nmol/l. Sie zeigen z. B. eine Reduktion der Schilddrüsen-Antikörper-Spiegel und damit einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Autoimmunreaktion bei Hashimoto-Thyreoiditis.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung gibt die angemessene Vitamin-D-Zufuhr für einen Erwachsenen mit 20 µg (800 I. E.) pro Tag an. Dabei kann der Vitamin-D-Bedarf über die Nahrung allein i. d. R. nicht sichergestellt werden und macht bei nicht ausreichender Exposition zu Sonnenlicht eine Supplementation erforderlich. Je nach Versorgungssituation ist zur Erreichung des angestrebten Blut-Vitamin-D-Spiegels eine tägliche Supplementation von mindestens 2000 I. E. pro Tag notwendig.
Viele pflanzliche Inhaltsstoffe wirken ebenso immunregulierend oder antioxidativ. Besonders die Polyphenole sind aktuell in der Diskussion. Zu den Polyphenolen zählt man u. a. Phenolsäuren, Flavonoide und Anthocyane.
Polyphenole gelten als besonders entzündungshemmend und finden sich z. B. in Olivenöl, Beeren, Äpfeln, aber auch in grünem Tee.
Eliminationsdiäten bei Autoimmunerkrankungen
Auch ein Vermeiden bestimmter Lebensmittel kann bei Autoimmunkrankheiten bedeutsam sein. Gute Erfahrungen wurden durchaus mit Eliminationsdiäten gemacht, bei denen vorübergehend auf bestimmte Lebensmittel verzichtet wird (glutenhaltiges Getreide, Hülsenfrüchte, Milch und Milchprodukte etc.). Diese strengen Eliminationsdiäten sind jedoch kein Ansatz für eine langfristige Ernährung, sondern können helfen, Unverträglichkeiten einzugrenzen. Langfristig kann dann auf Lebensmittel, die nicht vertragen werden, verzichtet werden.
Insbesondere die Verträglichkeit von glutenhaltigem Getreide sollte bei Autoimmunerkrankungen geprüft werden. So tritt z. B. bei ca. 5 % aller Fälle der Hashimoto-Thyreoiditis auch eine Zöliakie auf. Aber auch ohne das Vorliegen einer Zöliakie, die eine streng glutenfreie Ernährung erfordert, ist das Auftreten von Darmproblemen bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen gehäuft. Als ursächlich gilt dabei v. a. das Gliadin des Weizens, das bei empfindlichen Personen die Darmwand durchlässiger macht (Leaky Gut) und damit die Aufnahme von größeren Proteinfragmenten und anderen Schadstoffen ermöglicht. Auch andere Substanzen (früher als antinutritive Pflanzenstoffe bezeichnet) wie Lektine (in Hülsenfrüchten), Phytinsäure (in Getreide) oder Alkaloide (in rohen Kartoffeln, Paprika, Tomaten) können chronisch entzündliche Prozesse im Darm auslösen oder verstärken.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass unsere westliche Ernährungsweise bei Autoimmunerkrankungen nachteilig ist. Durch eine Umstellung auf eine mediterrane Ernährung bzw. eine Ernährungsform mit einem hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln, Omega-3-reichem Fisch, Olivenöl und Omega-3-reichen Pflanzenölen, Sauermilchprodukten, Geflügel und wenig rotem sowie verarbeitetem Fleisch können Betroffene selbst etwas zu einem positiven Krankheitsverlauf beitragen.
Lesen Sie den ganzen Artikel – Erfahrungsheilkunde 2021; 70: 82–88. DOI 10.1055/a-1395–4635